Von der Wohnung ins Einkaufszentrum per Lift.

Text: Üsé Meyer Foto: Frank Brüderli, JG Video GmbH, 4 Min. Lesezeit
Von der Wohnung ins Einkaufszentrum per Lift.

«Loki» nannten die Winterthurer und Winterthurerinnen liebevoll die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), die seit 1871 in der Stadt ansässig war. Aus der grössten Lokomotivfabrik der Schweiz kamen beispielsweise legendäre Schienenfahrzeuge wie das «Krokodil» oder der «Rote Pfeil». Umso trauriger für die Firma und die Stadt, als im Mai 1998 das Ende der SLM verkündet wurde. «Die Winterthurer müssen sich jetzt auf alle Fälle für die Bushaltestelle ‹Loki› einen neuen Namen ausdenken», prognostizierte der Reporter der SRF-Sendung «Schweiz aktuell» damals.

Wo bei der SLM früher gefräst, gehämmert und geschraubt wurde, eröffnete 2009 das Einkaufszentrum Lokwerk. Der Neubau kam hinter der denkmalgeschützten Backsteinfassade mit den hohen Bogenfenstern zu stehen. Im Innern der einstigen Fabrikationshalle erinnern noch Schautafeln, Bilder und ein Café in Form eines antiken Zugwagens an die vergangenen Zeiten. Die Geschichte der Halle übernimmt auch die in diesem Sommer fertiggestellte Aufstockung und Erweiterung des «Lokwerks» mit Wohnungen: Bei den Metallelementen der Fassade sind deren vertikalen Falze so gestaltet, dass ihre Form und Dimension die Gleise und Spurbreite der SBB aufnehmen. Das Projekt wurde von der Erne AG Holzbau in Laufenburg AG in der Rolle als Totalunternehmerin in Zusammenarbeit mit fsp Architekten aus Spreitenbach ZH ausgeführt.

Eine Verbindung, die Fragen aufwirft

Der Neubau besteht aus einem sechsstöckigen Kopfbau hinter dem Einkaufszentrum und einer dreigeschossigen Aufstockung auf dem Dach. Die Grössen der 60 Mietwohnungen reichen von 1.5 bis 4.5 Zimmer. Da das Einkaufszentrum während der Bauarbeiten durchgehend geöffnet war und sich auch rundherum wenig Platz bot, waren die Planer besonders gefordert. «Die Stahlträger und die 898 vorgefertigten Holzelemente mussten immer just in time auf der Baustelle angeliefert werden», sagt Lorenz Weissenberger, Gesamtprojektleiter der Erne AG. Eine ungewöhnliche Herausforderung sei ausserdem die Modernisierung der Aufzüge im Einkaufszentrum gewesen.

Doch zuerst zum einfacheren Teil: Im Kopfbau erschliessen zwei Personenaufzüge von AS des Typs
SwissLift mit sieben Zugängen den Wohnteil und im neuen Dachaufbau einer mit drei Zugängen. Alle 3 Aufzüge sind für 14 Personen und eine Nutzlast von 1050 Kilogramm ausgelegt. Während die äusseren Chromstahlfronten zur Standardausführung gehören, präsentiert sich das Innere spezieller: Die Kabinen sind mit Wänden aus Rauchquarzglas verkleidet. So weit, so einfach. Weitaus komplexer entpuppte sich dafür die Modernisierung der beiden bestehenden Glaslifte im Einkaufszentrum – denn das Projekt sah vor, diese um eine Haltestelle auf dem Dach zu erweitern. «Die Verschmelzung von Wohnen und Einkaufen war stets unser erklärtes Ziel», sagt Alexa Müller des Immobiliendienstleisters Wincasa. Müller ist die Centerleiterin des «Lokwerks». Aber genau diese gewollte Verbindung warf einige Fragen auf: Wie können wir die statischen Anforderungen meistern? Und: Wenn auch die Mieterschaft diese Aufzüge benutzt – reichen dann die Kapazitäten aus? Denn eines war klar: Die Wegzeiten für die Kunden des Einkaufszentrums durften auf keinen Fall länger werden.

Mehr Kapazität mit gleichen Kabinen

Nicht nur für die neuen Aufzüge, sondern auch für die Modernisierung fiel die Wahl auf AS Aufzüge – und dies, obwohl der Glaslift von einem anderen Anbieter stammt. «Unsere Multimarkenkompetenz war bei diesem Auftrag besonders wertvoll», sagt Urs Barth, Verkaufsleiter Modernisierung bei AS Aufzüge in Wettswil. Er meint damit: AS kann für Liftanlagen der meisten Marken die Wartung, den Unterhalt oder eine Modernisierung anbieten. «Für sämtliche Aufzüge in einem Gebäude nur einen Unterhaltsvertrag zu haben, ist auch für uns ein grosser Vorteil», sagt Centerleiterin Müller. Und bei den Fragen bezüglich Kapazität und Statik der beiden Glasaufzüge konnten die Experten von AS ebenfalls ihr Fachwissen in die Waagschale werfen. «Die nötigen baulichen Massnahmen, um die dynamischen Liftlasten in den Griff zu bekommen, waren komplex», sagt Weissenberger von Erne. So mussten im gläsernen Liftschacht vier zusätzliche Stahlstützen eingebracht werden, und auch die drei mal sieben Meter grosse Dachöffnung für die Liftverlängerung, machte Zusatzkonstruktionen nötig.

Den Bedenken der Centerbetreiberin bezüglich Kapazität begegnete AS mit einer fundierten Verkehrsflussanalyse und der darauf basierenden Lösung: einer neuen, modernen Steuerung. So werden die Fahrzeiten beispielsweise durch vorzeitiges Öffnen der Türen oder eine stärkere Beschleunigung verkürzt, was eine Effizienzsteigerung von rund 10 Prozent bringt. Um nochmals 20 bis 30 Prozent wird die Effizienz durch die neue PORTSteuerung verbessert. Dabei wählen die Fahrgäste bereits beim Ruf des Aufzugs auf dem Touchscreen- Panel ihr Ziel an. Die intelligente Steuerung kann dann mittels Vorsortierung der Passagiere die Haltepunkte pro Fahrt reduzieren. Und noch eine Verbesserung hat man mit der Modernisierung der Aufzüge erreicht: «Trotz Steigerung der Förderleistung sowie zusätzlichem Halt können wir im Vergleich zu vorher dank Rekuperation rund 30 bis 40 Prozent Energie einsparen», sagt Urs Barth von AS.

Insbesondere von der PORT-Steuerung profitieren natürlich auch die Wohnungsmieter, die nun tatsächlich per Lift zum Lebensmitteleinkauf, ins Fitnesscenter, zum Coiffeur oder ins Coop-Restaurant fahren können. Und Anschluss an den ÖV haben sie auch gleich vor der Tür. Apropos: Die Prognose des SRF-Reporters von 1998 war falsch. Die Bushaltestelle heisst immer noch liebevoll ‹Loki›.

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